Mit Erschütterung müssen wir die Nachricht bekannt geben, dass unser Gründungsdirektor und Geschäftsführer Lutz Hachmeister gestorben ist. Er starb völlig unerwartet am 26. August, zwei Wochen vor seinem 65. Geburtstag, in Köln.
Den plötzlichen Tod von Lutz Hachmeister und die Lücke, die er hinterlässt, werden wir alle erst mit Abstand begreifen. An dieser Stelle seinen herausragenden Intellekt, seine unerschöpfliche Neugier, sein visionäres Gespür für Themen und seine Sprachkunst zu preisen, erübrigt sich fast von selbst – sie waren offensichtlich. Keine Worte könnten ihnen gerecht werden. Unberechenbar, aber beständig brillant, streitbar, aber als Autorität unumstritten, ein öffentlicher Intellektueller par excellence und ein sehr privater Mensch: Lutz’ Person entzog sich tradierten Kategorien, sein Schaffen sprengte Silos, ohne sich jemals Opportunitäten oder Moden zu unterwerfen. Geschichte und Geschichtspolitik, Journalismus, Philosophie und Medientheorie, Rundfunk- und Medienpolitik, Plattformen, „Twitterpolitik“ und KI – nicht trotz, sondern gerade wegen seiner Vielseitigkeit hat er wissenschaftliche und gesellschaftliche Diskurse zu diesen Themen nachhaltig geprägt. Kaum jemand im deutschsprachigen Raum hat die Folgen der Medien- und Technikevolution auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in ihren komplexen Wechselwirkungen so früh, so umfassend erfasst. Wann immer er sich etwa – oft lustvoll pointiert, immer kenntnisreich – mit Interventionen zum Strukturwandel der Medienpolitik oder zur Reform des um eine „dritte Säule“ zu ergänzenden dualen Rundfunksystems zu Wort meldete, war ihm die Aufmerksamkeit der Szene gewiss. Die Bandbreite seines Schaffens war enorm – er war Wissenschaftler und Journalist, Film- und Buchautor, Unternehmensberater, Initiator eines internationalen Filmfestivals und Institutsdirektor.
Mit der Gründung des IfM im Jahr 2005, das sich rasch zu einem hochrangigen Forum für die Medienbranche, die Kommunikationsforschung und die handelnde Politik entwickelte, fand Lutz Hachmeisters These, dass der Bedeutungsgewinn von Medien- und Kommunikationspolitik auch eines Ortes bedarf, an dem aktuelle Debatten und Zukunftsfragen öffentlich, aber auch strategisch erörtert werden, ihre Entsprechung. Der genius loci der Institutsräume in der Berliner Fasanenstraße ist unter all jenen, die bei den medienpolitischen Kolloquien mit internationalen Wissenschaftlern, Spitzenpolitikern, CEOs und Chefredakteuren zugegen waren, unvergessen. Dass mit dem „Vor-seiner-Zeit-Sein“ das Risiko einherging, anzuecken und nicht verstanden zu werden, hat er in Kauf genommen. Egal war es ihm, aller ostentativen Robustheit zum Trotz, nicht. Doch so präzise er die föderale Zuständigkeitsvielfalt, die Idiosynkrasien und Eigenlogiken von Medienpolitik, Verwaltung und Senderapparaten zu sezieren verstand, so wenig Lust hatte er darauf, sich zu verbiegen und sich mit der für die Beratungsbranche üblichen Geschmeidigkeit durch das Feld unterschiedlicher Interessen und Befindlichkeiten zu navigieren.
Viele der Vorschläge, die dieser „Ein-Personen-Zukunftsrat“ teils vor über einem Jahrzehnt formulierte und die seitdem nur an Aktualität gewonnen haben, harren weiter der Umsetzung. Doch ein „intellectuel engagé“, ein engagierter Intellektueller, ist kein Intellektueller, der Politik macht. Vielmehr ist es jemand, der sich in die politische Debatte einmischt, ohne jedoch die Anforderungen seiner täglichen Tätigkeit als Wissenschaftler aufzugeben; andernfalls, so erklärt es Pierre Bourdieu in Pierre Carles’ Dokumentarfilm „La sociologie est un sport de combat“ von 2001, wäre er „ein Clown“. Die Charakterisierung als „intellectuel engagé“ hätte Lutz hoffentlich auch für sich akzeptiert (und die Tatsache, dass sie aus den sozial- und kulturtheoretischen Diskurs Frankreichs stammt, dem er sich eng verbunden fühlte, erhöht die Wahrscheinlichkeit beträchtlich). Glücklich können sich all jene schätzen, die nicht nur seinen Intellekt erlebten, sondern auch die leisen Momente, in denen er sich selbst hinterfragte oder seinen feinen Humor auf sich selbst lenkte. Wer die Gelegenheit hatte, Zeit mit ihm an der Côte d’Azur zu verbringen, erlebte in Juan-les-Pins bei ausgedehnten Spaziergängen sowohl seine enzyklopädische Kenntnis der Kulturgeschichte des von ihm geliebten Seebads als auch die Ruhe, gemeinsam mit ihm in einer Strandbar schweigend aufs Meer schauen zu können. Man verstand, nach welcher Maxime Lutz Hachmeister auch sein Leben als öffentliche Person gestaltete und unter den vielen Interview- und Vortragsanfragen, die ihn erreichten, sorgfältig auswählte: Wer wirklich viel zu sagen hat, muss sich nicht immer und zu allem äußern.
2019 übergab Lutz Hachmeister den Staffelstab mit einem 50.000-Zeichen-Interview in der Medienkorrespondenz an Publizisten und Politikberater Leonard Novy, der das Institut seitdem ehrenamtlich mit einem kleinen Team von Köln und Berlin aus leitete. Die Internationalisierung des Instituts – Veranstaltungen in New York und Georgien, Kooperationen mit Universitäten wie Cambridge und Köln, die Weiterentwicklung der Cologne Futures mit dem WDR, Capacity-Building-Programme mit dem Auswärtigen Amt in Osteuropa, das gemeinsam mit dem Haus des Dokumentarfilms erfolgreich etablierte Roman Brodmann Kolloquium für Medienfreiheit und Dokumentarfilm sowie die Zusammenarbeit mit der internationalen Medienkonferenz M100 – all das verfolgte Lutz Hachmeister nicht nur mit Wohlwollen, sondern brachte sich weiter aktiv ein. In den Büroräumen in Köln-Nippes blieb er eine konstante Präsenz, war dem jungen Team um Büroleiterin Mia Paetzold ein wichtiger Mentor und prägte als geschäftsführender Gesellschafter weiterhin die strategische Ausrichtung des IfM. Und obwohl er öffentlich stets erklärte, die Medienpolitik hinter sich gelassen zu haben: War es ihm nicht mutig, nicht radikal genug, oder schlicht zu läppisch (zu sehr „Mickey Mouse“), dann meldete er sich weiter zu Wort. „Es gibt ja wenig Peinlicheres als ältere Männer, die aus Angst vor Statusverlust plötzlich ihre patriotische und strukturkonservative Gefühligkeit entdecken“. Mit diesen Worten kommentierte Lutz in seinem Abschiedsinterview in der Medienkorrespondenz die oft befremdlichen Alterskarrieren ehemaliger Meinungsführer. Das, so viel ist gewiss, wäre ihm nie passiert. Wie es nun weitergeht? Schwer vorstellbar. Lutz hätte gesagt: „Das müssen jetzt andere machen.“
Leonard Novy
Die Trauerfeier und Beisetzung finden statt am Montag, 14. Oktober um 12 Uhr, auf dem Friedhof Melaten in Köln.