„Für eine Übergangszeit“ bleibt Lutz Hachmeister geschäftsführender Gesellschafter.
Der Politikwissenschaftler Leonard Novy ist seit dem 1. September 2019 neuer Direktor des Kölner Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik. Das Institut war 2005 in Form einer gemeinnützigen GmbH von dem Publizisten und Medienforscher Lutz Hachmeister gegründet worden. Es operierte vor dem kompletten Umzug nach Köln (2014) im wesentlichen von der Berliner Fasanenstraße aus, mit einem Forschungsbüro in Köln. Hachmeister hatte bereits bei der letzten Sitzung des IfM-Senats, die im April 2019 beim Deutschlandfunk stattfand, seinen Rückzug aus der Institutsleitung angekündigt, da er „eher keine Amtszeiten à la Erich Honecker“ angestrebt habe und es „für alle gesellschaftlich verantworteten Institutionen wichtig“ sei, „Konzeptions- und Führungsverantwortung rechtzeitig in jüngere Hände abzugeben“. Er werde aber noch „für eine Übergangszeit“ geschäftsführender Gesellschafter der IfM gGmbH bleiben. Weitere Einzelgesellschafter des Instituts sind die Politologin Ulrike Guérot, der Filmproduzent Hans Wolfgang Pausch, die Juristin Elisabeth Noltenius und die Medienmanagerin Friederike Behrends. Dem rund 20-köpfigen Senat des IfM, dem Aufsichts- und Beratungsgremium, stehen die dtv-Verlegerin Claudia Baumhöver und der Journalist Hans-Jürgen Jakobs (Handelsblatt) vor.
Das Institut verantwortet unter anderem die Medienkonzern-Datenbank mediadb.eu, die Herausgabe des „Jahrbuchs Fernsehen“ und die Organisation der Zukunftskonferenz „Cologne Futures“ (seit 2012). Forschungsprojekte des IfM beschäftigten sich mit der „Twitterpolitik“, dem Berliner Pressemarkt, der Sprache des Politischen in Bundesministerien oder dem Medienbewusstsein der heutigen Studierenden-Generation. Bekannt wurde das IfM durch seine medienpolitischen Colloquien, zunächst in der Berliner Fasanenstraße, dann in Kooperation mit der Kölner Kunsthochschule für Medien (KHM) und der internationalen filmschule köln (ifs). Hier waren EU-Kommissare wie Vivian Reding und Günter Oettinger, Chefredakteure und Medienmanager wie Alan Rusbridger (Guardian), Mathias Döpfner (Springer), Gabriele Fischer (Brand Eins) und Norman Pearlstine (Bloomberg), Verfassungsrichter wie Hans-Jürgen Papier und Andreas Paulus, der damalige Chef des Bundesnachrichtendienstes, Ernst Uhrlau, und Internet-Forscher wie Evgeni Morozov, David Weinberger und Geert Lovink zu Gast. Hachmeister unterstrich mit dieser Veranstaltungsreihe auch seine Auffassung von Medienpolitik „als Metapolitik, weil sie es mit jenen Medien und Infrastrukturen zu tun hat, durch die andere Politikfelder bewertet und gerahmt werden“ (2013). Schon 2008 hat er in einem taz-Streitgespräch mit dem damaligen rheinland-pfälzischen Staatskanzleichef Martin Stadelmaier klargestellt, die traditionelle „Rundfunkpolitik“ der deutschen Bundesländer werde angesichts der technologischen Evolution bald so bedeutsam sein „wie die Verwaltung der illyrischen Provinzen im 19. Jahrhundert“.
Der neue IfM-Direktor Leonard Novy, geboren 1977 in Köln, hat Geschichte und Politikwissenschaft an der Humboldt Universität Berlin und der University of Cambridge studiert, promovierte zum Dr. phil. an der University of Cambridge mit einer Arbeit zum Thema Identität und Öffentlichkeit in der EU, war 2004/05 Fellow an der Harvard University. 2009-2010 war er Leiter Gesprächsformate bei der AVE Gesellschaft für Fernsehproduktion mbH in Berlin (Verlagsgruppe Holtzbrinck) und 2006-2009 Leiter von Projekten der Bertelsmann Stiftung zum Thema Strategie- und Steuerungsfähigkeit der Politik.Novy, der bereits in den vergangenen Jahren als Co-Direktor des IfM amtierte, unterstrich:„Themen und Anliegendes Instituts haben seit seiner Gründung durch Lutz Hachmeister nur an Relevanz gewonnen. Medien- und Kommunikationspolitik ist längst kein Nischenfeld für Rundfunkreferenten, Parteipolitiker und Lobbyisten mehr, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe.Angesichts von Fake News und digitaler Manipulation, Hate Speech und vielerorts kriselnder journalistischer Strukturen ist heute klar: Es geht um nichts Geringeres als um die Grundlagen des demokratischen Gemeinwesens oder – anders formuliert– um die kommunikative Infrastruktur unserer Demokratie. Mit unseren bewährten Formaten, einem gut ausgebauten Netzwerk assoziierter ExpertInnen und mehr internationalen Kooperationen als bislang werden wir die Debatte um deren Ausgestaltung auch in Zukunft vorantreiben.“
Gründungsdirektor Hachmeister, geboren 1959 in Minden/Westfalen, war unter anderem Medienredakteur des „Tagesspiegel“ in Berlin, Chef des Marler Grimme-Instituts und Geschäftsführer der Unternehmensberatung HMR International in Köln. 1991 gründete er im Rahmen des damaligen „Medienforums NRW“die „Cologne Conference“, das heutige Film Festival Cologne. 1998 habilitierte er an der Universität Dortmund über die „Gegnerforschung“ der SS. Für seine Dokumentation „Schleyer“ erhielt er 2004 den Grimme-Preis, 2009 für „Freundschaft! Die Freie Deutsche Jugend“ den Deutschen Fernsehpreis. Zudem veröffentlichte er Sachbücher wie „Heideggers Testament“ (2014)und „Hannover. Ein deutsches Machtzentrum“ (2016).
Das Institut wurde als unabhängige Denkfabrik und Forschungsinstitution seit Gründung von zahlreichen Medienunternehmen (wie ARD, ZDF, Holtzbrinck, FAZ, Springer, RTL-Gruppe, ProSiebenSat.1, Deutschlandradio) und Stiftungen bzw. öffentlichen Förderern (Stadt Köln, Land NRW und Berlin, Bundeszentrale für politische Bildung, Augstein-Stiftung, Mercator, Bertelsmann, Open Society Foundation, Herrhausen, Friedrich-Ebert-Stiftung) finanziell unterstützt. Im Rahmen der Netzwerks „Deutschland Denkt“ wurde das IfM vom Goethe-Institut als eines von sechs herausragenden außeruniversitären deutschen Instituten für Medienforschung ausgewählt.