Gutachten: ARD/ZDF dürfen keine digitale Zeitung anbieten
Nach Auffassung des Rostocker Kommunikationsrechtlers Hubertus Gersdorf entsprechen die Online-Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die textlichen Angebote seien „in vielen Fällen keine digitale Ausgabe einer Programmzeitschrift (im weiteren Sinne), sondern eher ein vollwertiger Ersatz einer Tageszeitung“, konstatiert der Rechtswissenschaftler in einem Gutachten. Die Sendeanstalten seien aber „nicht zur Verbreitung einer thematisch vollumfänglichen digitalen Zeitung oder Zeitschrift legitimiert“, so Gersdorf. Vielmehr müssten die „digitalen Textdienste“ von ARD und ZDF – darunter versteht der Wissenschaftler Texte, stehende Bilder und Grafiken – gemäß dem Rundfunkstaatsvertrag einen programmbezogenen und -begleitenden Inhalt haben. Gersdorf: „Durch diese Annexfunktion sind Textdienste des öffentlich-rechtlichen Rundfunks legitimiert, aber zugleich auch limitiert.“ Die Bewegtbild- und Audio-Angebote von ARD und ZDF auf deren Internet-Seiten stellt Gersdorf nicht in Frage.
Seine Expertise hat der Rechtswissenschaftler im Auftrag der Stiftervereinigung der Presse erstellt und am 5. März in Berlin im Rahmen einer Podiumsdiskussion zum Thema „Communities, Mediatheken, Online-Presse – Wo ist die Grenze für ARD und ZDF?“ vorgestellt. Die Veranstaltung wurde vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), vom Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) sowie der Stiftervereinigung organisiert.
Um zu verdeutlichen, was ARD und ZDF textlich im Online-Bereich erlaubt sei, verweist Gersdorf in seinem Gutachten auf die gedruckte Programmzeitschrift, die er als „Referenzobjekt“ heranzieht. Dazu heißt es in dem Gutachten: „Digitale Textdienste des öffentlich-rechtlichen Rundfunks müssen ihrem Inhalt und Erscheinungsbild nach Züge einer digitalen Programmzeitschrift (im weiteren Sinne) tragen. Sie sind das funktionale Äquivalent einer gedruckten Programmzeitschrift des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und nach denselben Maßstäben legitimiert und limitiert.“
Externes Aufsichtsgremium nötig
In seiner Expertise geht Gersdorf auch auf die Einführung der dreistufigen Public-Value-Tests ein, zu denen die öffentlich-rechtlichen Sender spätestens ab April 2009 verpflichtet sind, wenn sie neue oder wesentlich veränderte Angebote in den Bereichen Digitalfernsehen und Internet starten wollen. Die Einführung des Verfahrens geht auf die Einigung zwischen den Bundesländern und der EU-Kommission im sogenannten Beihilfeverfahren im April 2007 zurück.
Bei dem Drei-Stufen-Test kommt den aus Vertretern von gesellschaftlich relevanten Gruppen bestehenden Aufsichtsgremien von ARD und ZDF die entscheidende Rolle zu. Sie haben bei der Prüfung beispielsweise zu untersuchen, ob ein neues oder verändertes Angebot zum Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender gehört und welche Auswirkungen es auf den Markt und damit auf die privatwirtschaftliche Konkurrenz hat. Letztlich haben damit die Gremien darüber zu entscheiden, ob ein neues oder ein wesentlich verändertes Angebot von den öffentlich-rechtlichen Anbietern auch umgesetzt werden darf.
Das konkrete Procedere der Prüfverfahren, das im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag verankert werden soll, erarbeiten die Bundesländer zur Zeit. Nach Ansicht von Gersdorf sind allerdings die im Rahmen des Public-Value-Tests wahrzunehmenden Kontrollaufgaben „in die Hände eines externen und staatsfrei organisierten Aufsichtsgremiums zu legen“. Die binnenpluralistische Organisationsstruktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vermag laut Gersdorf „den schutzwürdigen Interessen privater Anbieter nicht hinreichend Rechnung zu tragen“.
14.3.08/“Funkkorrespondenz“