DIE MÖLLNER BRIEFE gewinnt den Roman Brodmann Preis 2025

Copyright aller Fotos @Jerome Jossin

Am 7. Mai 2025 wurde der Roman Brodmann Preis in Berlin an die Regisseurin Martina Priessner für ihren eindrucksvollen Kinodokumentarfilm DIE MÖLLNER BRIEFE verliehen. Der Preis würdigt herausragende Leistungen im politischen Dokumentarfilm und wird seit 2022 in einer gemeinsamen Veranstaltung vom Institut für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM) und dem Haus des Dokumentarfilms – Europäisches Medienforum Stuttgart e.V. (HDF) vergeben. Die Auszeichnung ist mit 10.000 Euro dotiert.

Gastgeber der Preisverleihung ist seit Beginn die Landesvertretung Rheinland-Pfalz beim Bund, in deren Berliner Räumen jedes Jahr sowohl das medienpolitische Roman Brodmann Kolloquium als auch die feierliche Preisvergabe stattfinden. Die diesjährige Ausgabe stand unter dem Titel:

„Rechtsruck in Europa! Ohnmacht der Medien?“

Rückblick auf das Roman Brodmann Kolloquium 2025

Mit Blick auf den politischen Rechtsruck in Europa diskutierte das Roman Brodmann Kolloquium zentrale Fragen des demokratischen Medienhandelns. In Keynotes, Panels und Diskussionsrunden wurden Herausforderungen und Handlungsspielräume journalistischer und dokumentarischer Praxis ausgelotet – zwischen Haltung und Neutralität, Krisendiagnose und Gestaltungskraft.

Walid Nakschbandi, Geschäftsführer der Film- und Medienstiftung NRW, eröffnete das Kolloquium mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für die Relevanz des Dokumentarfilms: „Der Dokumentarfilm ist zurück – weil er Tiefe, Kontext und Echtheit bietet.“ In einer Zeit, in der die Glaubwürdigkeit journalistischer Medien unter Druck gerät, gewinne der Dokumentarfilm als „erzählerisches Werkzeug gegen Gleichgültigkeit“ neue Bedeutung.

Anja Osterhaus, Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen skizzierte in einem Gespräch mit Leonard Novy über die weltweite Lage der Pressefreiheit ein ernüchterndes Bild: In weiten Teilen der Welt sei unabhängiger Journalismus nicht mehr möglich – mit weitreichenden Folgen für Informationsfreiheit und demokratische Öffentlichkeit.


Zwischen Bühne und Berichterstattung: (Ohn-)Macht der Medien

Das erste Panel widmete sich der Frage, wie Medien mit dem wachsenden Einfluss rechtspopulistischer und rechtsextremer Positionen umgehen. Nadia Zaboura kritisierte, dass journalistische Grundprinzipien oft dort versagen, wo rechte Narrative bewusst auf Skandalisierung und Polarisierung setzen. Medienhäuser, so ihre Beobachtung, seien „nicht immer bereit, konstruktive Kritik aus der Wissenschaft aufzunehmen“.

Anette Dowideit von CORRECTIV und Heike-Melba Fendel mahnten zur Verantwortung im redaktionellen Umgang mit der AfD: Gerade im Format der Talkshow könne der Effekt entstehen, dass extremistische Positionen durch Reichweite salonfähig gemacht werden – ohne ausreichende Kontextualisierung. Klaus Siekmann (NDR) verwies auf die zentrale Rolle juristischer Absicherung für kritischen Journalismus angesichts zunehmender SLAPP-Klagen und Einschüchterungsversuche.


Wie weiter? Visionen für eine demokratische Medienlandschaft

Das zweite Panel lenkte den Blick auf strukturelle Reformen: Es ging um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, neue Fördermodelle und die digitale Transformation des Journalismus.

Julia Krittian (hr) betonte, Medien müssten sich nicht einem politischen Wandel „nach rechts“ anpassen – sondern sich stärker fragen, was ihre Aufgabe in einer sich verändernden Gesellschaft sei. Die Rolle des Journalismus sei weniger, „zu sagen, was ist“, sondern vielmehr „zu hören, was ist“ – und daraus journalistische Relevanz abzuleiten.

René Martens (Altpapier) kritisierte, dass sich die öffentlich-rechtliche Programmplanung zu oft an Zielgruppenlogiken orientiere, statt an inhaltlicher Notwendigkeit. Çiğdem Uzunoğlu, neue Direktorin des Grimme-Instituts, plädierte für einen stärkeren Fokus auf digitale Räume und eine mediale Realität, die nicht nur im Analogen stattfinde. Maximilian Steinbeis (Verfassungsblog) wies auf die politische Verwundbarkeit des öffentlich-rechtlichen Systems hin – etwa durch die einfache Kündbarkeit von Staatsverträgen.


Demokratie unter Druck: Die Macht rechtsautoritärer Narrative

In der abschließenden Runde analysierten die Teilnehmer:innen, wie Sprache und Erzählmuster in autoritären Kontexten zur politischen Waffe werden. In ihrem Impuls stellte Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, klar: „Die Macht rechtsautoritären Denkens liegt darin, Zugehörigkeit und Angst zu verknüpfen – auf Kosten demokratischer Institutionen.“

Stephan Lamby, Volker Heise, Johannes Hillje und Hatice Akyün diskutierten, wie Medien durch Verkürzung, Skandalisierung und algorithmischen Druck ungewollt zur Verstärkung solcher Narrative beitragen können. Moderiert wurde die Runde von Fritz Frey.


Gedenken an Lutz Hachmeister

Ein besonderer Moment war der Beitrag von Nils Minkmar, der an den im Vorjahr verstorbenen Medienhistoriker und IfM-Gründer Lutz Hachmeister erinnerte. In seiner pointierten Rede beschrieb Minkmar Hachmeister als „Chronisten der nervösen Zone“, der früh die Wechselwirkungen von Politik, Medien und Macht analysierte – und dafür ein analytisches Vokabular hinterließ, das aktueller ist denn je.


Ausgezeichnet: DIE MÖLLNER BRIEFE

Der preisgekrönte Dokumentarfilm DIE MÖLLNER BRIEFE von Martina Priessner beleuchtet die Folgen des rassistischen Brandanschlags von Mölln 1992. Im Zentrum stehen über 900 Solidaritätsbekundungen, die damals geschrieben, aber nie übergeben wurden – und erst durch das Engagement von Ibrahim Arslan, Überlebender des Anschlags, Jahrzehnte später an die Öffentlichkeit kamen.

Der Film gibt diesen Stimmen erstmals den Raum, der ihnen lange verwehrt blieb – ein Dokument gegen das Vergessen und für Erinnerungsgerechtigkeit. Im Anschluss an die Preisverleihung wurde der Film in voller Länge gezeigt. Der Kinostart ist für September 2025 angekündigt.

Die diesjährige Roman-Brodmann-Rede hielt Rainald Becker, langjähriger ARD-Journalist und ehemaliger Chefredakteur.


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Abschied von Leonard Novy

Das Kolloquium markierte zugleich das Ende einer prägenden Phase: Leonard Novy legte nach sechs Jahren seine Funktion als Direktor des IfM nieder. Seit 2019 hatte er das Institut in enger Zusammenarbeit mit dem Gründer Lutz Hachmeister geleitet und maßgeblich geprägt – mit strategischem Weitblick, intellektueller Klarheit und großem persönlichen Engagement.

Das Roman Brodmann Kolloquium, das er 2022 ins Leben rief und seither inhaltlich entwickelte, wurde dabei zu einem wichtigen Forum für die medienpolitische Debatte im Umfeld des dokumentarischen Films.

Künftig wird er sich verstärkt seiner internationalen Tätigkeit in der Strategie- und Kommunikationsberatung widmen – den Themen Medienpolitik, Pressefreiheit und Demokratie aber weiterhin verbunden bleiben. Das IfM dankt ihm herzlich und wünscht ihm für seinen weiteren Weg alles Gute.

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