Das neue JAHRBUCH FERNSEHEN 2016 ist erschienen – mit Essays von Fabienne Hurst, Kai-Hinrich Renner, Nadia Shehadeh, Jasmin Siri, Sabine Sasse und einem Interview mit Brainpool-Geschäftsführer Jörg Grabosch.
In der 25. Ausgabe des „Jahrbuchs Fernsehen“ analysiert Fabienne Hurst die Sogwirkung, die der französische Nachrichtensender BFMTV offenbar auch auf französische Politiker hat. „Der Sender gibt den politischen Ton an und ist dabei hemmungsloser als die Konkurrenz. Einmal fuhr die damalige Justizministerin Christiane Taubira mit dem Fahrrad nach Hause – und wurde 30 Minuten lang von einem BFM-Motorradteam verfolgt, als ginge es um das Begleiten einer Tour-de-France-Etappe“, so schreibt „Jahrbuch“-Autorin Hurst. In Krisenzeiten, etwa bei Terroranschlägen, erreicht BMFTV in der Spitze bis zu 15 Prozent Marktanteil in Frankreich, mit hohem technischen Aufwand und perfekter Online-Verbreitung. Welchen Einfluss diese Entwicklung auf die Branche hat und was das für Frankreich bedeutet, analysiert Hurst, die als Autorin für das ARD-Politmagazin „Panorama“ arbeitet und unter anderem für „Die Zeit“ schreibt, in ihrem Essay präzise und differenziert – ein Text, der auch für den deutschen Fernsehmarkt Bedeutung hat, weil es hier einen „reinen“ Nachrichtenkanal à la BMFM-TV bislang nicht gibt.
Mit den im letzten Jahr angekommenen Flüchtlingen hat sich nicht nur unsere Gesellschaft, sondern auch die Rezeption über sie verändert. Wie, verraten die Soziologinnen Nadia Shehadeh und Jasmin Siri. Sie haben unterschiedliche TV-Formate untersucht, die sich mit der Situation von Flüchtlingen befassen. Die Flüchtlingsdebatte, schreiben sie, habe „eingefahrene Wege des Redens und Berichtens über Integration, Migration und die Frage, was denn eigentlich ,deutsch’ ist, infrage gestellt und eine leidenschaftliche Debatte über ,uns’ und ,die Fremden’ ausgelöst, die sich durch alle Medienformate zieht.“
Handelsblatt-Medienredakteur Kai-Hinrich Renner beschäftigt sich mit den Strategien der privaten TV-Sender angesichts von Streamingdiensten, VoD und Pay-TV und stellt die Frage, was überhaupt noch „Fernsehen“ ist. In seinem Essay beschreibt er fundiert die unterschiedlichen Geschäftsmodelle von RTL und ProSiebenSat.1 und die immer fließender werdenden Übergänge zwischen klassischem TV und Video.
Die Journalistin Sabine Sasse dokumentiert den zunächst sehr einsamen Kampf des investigativen Sportjournalisten Hajo Seppelt um eine realistische Sportberichterstattung. Denn der heute weltweit anerkannte Dopingexperte, der durch seine Recherchen unter anderem dafür gesorgt hat, dass die russischen Leichtathleten für die Olympischen Sommerspiele 2016 gesperrt wurden, galt in der eigenen Branche jahrelang als Nestbeschmutzer und verlor zeitweise sogar seinen Job. Heute gilt er als Pionier und wurde für seine Arbeit auch international mehrfach ausgezeichnet.
Last not least interviewt Lutz Hachmeister Brainpool-Gründer Jörg Grabosch, der sich auch hätte vorstellen können, Schauspieler zu werden. Mit Formaten wie „Die Harald Schmidt Show“, „Die Wochenshow“, „TV total“, „Schlag den Raab“, „Ladykracher“, „Pastewka“, „Stromberg“ oder „PussyTerror TV“ hat sich die Kölner TV-Produktionsgesellschaft als Spezialist für leichte Unterhaltung etabliert, Comedians wie Anke Engelke, Bastian Bastewka, Christoph-Maria Herbst und nicht zuletzt Stefan Raab groß gemacht, musste aber auch zuletzt dessen Abgang von der Fernsehbühne verkraften.
Das JAHRBUCH FERNSEHEN „bündelt die treffendsten Analysen mit den kreativsten Kritiken und zahllosen Hintergrundinformationen zum Genre“ (Spiegel Online) und ist mit seinem aufwändigen und aktuellen Service- und Adressenteil für die Medienbranche „unverzichtbarer Wegbegleiter durchs Jahr“ (NZZ).
Die Herausgeber – das Institut für Medien- und Kommunikationspolitik, das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik, die Medienkorrespondenz (Katholisches Medienhaus) und das Film Festival Cologne – stehen für die journalistische Qualität und medienpolitische Unabhängigkeit der Publikation.
Dieter Anschlag/Claudia Cippitelli/Lutz Hachmeister/Petra Müller/Klaudia Wick (Hrsg.): Jahrbuch Fernsehen 2016. Köln 2016, 468 Seiten, Broschur, 34,90 Euro, ISBN: 978-3-9813465-6-5; ISSN 0949-9997
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